Wir haben in einem unserer vorherigen Artikel ("Der Alltag der Schimpansen") davon erzählt, was Schimpansen den ganzen Tag so treiben. Heute wollen wir uns tiefgehender mit dem Thema Essen auseinandersetzen. Zudem wollen wir auch einem Aberglaube auf die Schliche kommen, dem Sie vielleicht auch verfallen sein könnten. Dazu kommt, dass wir das heutige Thema nutzen wollen, um auch ein paar Einblicke in das prosoziale Verhalten der Schimpansen zu bekommen. Dazu zählen wir das Teilen von Essen, das Nutzen von die Weitergabe von Fähigkeiten mit Werkzeugen.
Fangen wir zunächst einmal mit dem Aberglauben an, den wir auch wenn wir ihn selbst nicht glauben, bestimmt schon an vielen Stellen aufgeschnappt haben. Und zwar das Schimpansen und andere (Menschen)-Affen Bananen lieben, denken Sie nur einmal an den Disney-Film "Das Dschungelbuch" zurück. Aber natürlich ist das nicht der einzige Beweis, den wir hier anführen möchten. Ihnen fallen sicher noch mehr ein. In den Mainstreammedien werden Schimpansen schon seit Jahrzehnten als "bananenliebend" dargestellt. Nichtsdestotrotz gibt es in jüngerer Zeit immer mehr Zoos, die Bananen von der Speisekarte ihrer Schimpansen streichen, weil der hohe Zuckergehalt und die damit einhergehenden Konsequenzen Gesundheitsprobleme, wie zum Beispiel kariöse Zähne und Diabetes verursachen können. Jedoch steckt, wie auch in vielem anderen Aberglaube ein Körnchen Wahrheit. Schimpansen mögen Bananen schon sehr gern. Ein möglicher pseudo-"wissenschaftlicher" Grund dafür könnte eine Studie aus den 1930ern sein. Dort fand man heraus das Affen in Gefangenschaft Bananen stark gegenüber anderen Futterarten präferierten. Bananen waren knapp hinter Trauben (die wiederum auf dem 1. Platz verortet waren) angesiedelt (Katz & Katz, 1936). Diese Information hat es aus irgendeinem Grund in viele Futterrichtlinien von Zoos geschafft. Hierbei ist aber zu berücksichtigen, das die Banane eine von Menschen domestizierte Pflanze ist. Das bedeutet, dass wilde Schimpansen in der Regel nicht in Berührung mit dieser Köstlichkeit kommen.
Schimpansen sind hauptsächlich Frugivore (ca. 2/3 ihrer Ernährung basiert auf Früchten) und werden in der Literatur deswegen auch oft als "Fruchtspezialisten" bezeichnet. Jedoch essen sie auch Blätter, Insekten, Fleisch und Honig. Bei uns in Loango gelangen sie zum Beispiel über die geschickte Nutzung von speziellem Werkzeug, an Honig aus Untergrundbienennestern (Estienne und Kollegen, 2017). Der Fleischkonsum wird über die Jagd auf andere Tiere befriedigt. Es ist jedoch noch zu klären, inwiefern Saisonalität einen Einfluss auf das Jagdverhalten in verschiedenen Schimpansenpopulationen hat. Andere Faktoren, die zu berücksichtigen sind, wären: Präsenz/Abwesenheit von Beutespezies, andere Fressfeinde mit denen die Schimpansen im Wettbewerb stehen oder der Einfluss von Menschen (McGrew, 1983).
Häufig teilen wir Menschen gerne unser Essen, aber wie sieht es da bei den Schimpansen aus? Essen sie auch mit Freunden und Verwandtschaft? Unabhängig von uns Menschen, ist das Teilen von Nahrung, außerhalb von Fortpflanzung und Verwandtschaft, eine Rarität im Tierreich. Jedoch gibt es da auch Ausnahmen! Zum Beispiel Schimpansen oder Bonobos. Einblicke in ihr Verhalten könnte uns helfen die Evolution menschlicher Kooperation besser zu verstehen. Lassen Sie uns dafür nun einmal genauer hinschauen.
Einer Studie zufolge teilen Schimpansen gerne mit ihren Freunden. Darauf haben auch dominantere und bettelnde Artgenossen keinen großen Einfluss (Samuni und Kollegen, 2018). Es gibt zwar Variation, wenn es ums Teilen von Ressourcen geht, jedoch wird bei Schimpansen generell viel geteilt (Silk und Kollegen, 2013). Andere Studien zeigen, dass männliche Schimpansen mit empfänglichen weiblichen Schimpansen teilen. Im Gombe Nationalpark in Tansania konnte man dabei einen positiven Einfluss auf direkte (Stanford, 1998) und zukünftige Paarung feststellen. Im Nationalpark Taï in der Elfenbeinküste konnte man das nur für zukünftige Paarung nachweisen (Gomes & Boesch, 2011). Des Weiteren teilen männliche Schimpansen auch mit anderen männlichen Schimpansen, wenn diese bereits mit ihnen geteilt haben oder die anderweitig verbündet sind. Diese Beobachtungen konnten in Uganda und der Elfenbeinküste gemacht werden (Mitani & Watts 1999, 2001; Boesch & Boesch-Achermann 2000; Mitani 2006). Zudem wird auch häufig nach der Jagd geteilt (Silk und Kollegen, 2013). Jedoch gibt es auch "tolerierten Diebstahl" (Blurton Jones, 1984) und Teilen-unter-Druck (Wrangham 1975; Stevens & Stephens 2002; Stevens & Gilby 2004). Das bedeutet das männliche Schimpansen Teile der Beute abgeben, weil sich der Kraftaufwand der zur Verteidigung gegen die Bettler nötig wäre nicht lohnt. Auch hierfür stammen die Beobachtungen aus dem Gombe Nationalpark in Tansania.
Bisher haben wir nur die generellen Mechanismen betrachtet, die beim Teilen von Nahrung wichtig sind. Wie sieht es jedoch tatsächlich aus, wenn bei Schimpansen geteilt wird? Dafür nutzen die Schimpansen eine Menge Gesten. Dazu zählt das Ausstrecken der Hand oder das "Sich-Gehör-Verschaffen" durch Vokalisation (grunzen und winseln). Wenn Schimpansen sich über ihre Nahrung freuen kann das durch Umarmungen, Berührungen, Küsse oder sozio-sexuellem Verhalten zum Ausdruck gebracht werden.
So viel nun zum beobachtbaren Teil des Verhaltens. Lassen Sie uns aber nun einen Blick in das "Innere" der Schimpansen beim Teilen werfen. Oxytocin, oder im allgemeineren auch als das "Liebeshormon" bekannt, kann nicht nur in uns Menschen gefunden werden. Auch bei Schimpansen ist es nachweisbar und kann deshalb dafür genutzt werden, um noch ein wenig mehr über das prosoziale Verhalten der Schimpansen zu erfahren. Samuni und Kollegen (2018) konnten zum Beispiel eine hohe Konzentration Oxytocin feststellen, wenn Fleisch oder andere wertvolle Nahrungsmittel nach der Jagd miteinander geteilt wurden. Es könnte also sein, dass Oxytocin ein Schlüsselhormon für die Entwicklung von kooperativem Verhalten ist. Davon mal abgesehen scheinen die Oxytocin-Effekt für Honig und Fleisch am stärksten zu sein. Das heißt irgendetwas besonderes haben diese beiden Dinge an sich. Aber das ist eine Geschichte für ein anderes mal!
Geteilt wird aber nicht nur bei der Nahrung. Es werden auch Werkzeuge geteilt und Fähigkeiten weitergegeben. Für viele wilde Schimpansen ist das Nutzen von Werkzeugen äußerst wichtig und essentiell. Jedoch ist das Lernen dieser Fähigkeiten kein leichtes Unterfangen. Die meisten Beobachtungen hierzu stammen von Mutter-Kind Beziehungen.
Unabhängig davon resultiert die Weitergabe von Werkzeug in einer Minderung an Nutzung und Futtermenge für denjenigen, der sein Werkzeug hergibt. Für den der das Werkzeug erhält bedeutet es wiederum das Gegenteil. Da die Abgabe von Werkzeug mit großen Kosten verbunden ist, haben diejenigen die es tuen aber Strategien entwickelt um diesen Verlust wieder auszugleichen. Ein Beispiel für die Weitergabe von Werkzeug bei uns in Loango ist die Extraktion von Honig aus Untergrundbienennestern. Weil die Nutzung der besagten Werkzeuge schwer ist und von einem erfahreneren Schimpansen zu einem weniger kompetenten Artgenossen vollzogen wird kann man an dieser Stelle auch von Lehre sprechen.
Im Video: Rekambo Schimpansen holen Honig aus einem Untergrundbienennest
An dieser Stelle würden wir gerne unseren Artikel schließen und in kurzen Worten die Möglichkeiten von Lernprozessen und Evolution in einem interessanten Zitat zusammenfassen: “Teach a chimpanzee to fish for insects to eat, and you feed her for a lifetime. Teach her a better way to use tools in gathering prey, and you may change the course of evolution.” (Musgrave, 2019)
Bis bald,
Euer Ozouga-Blogging-Team
Quellen:
(1936), Some Problems concerning the Feeding Behaviour of Monkeys. By Professor DAVID KATZ, Ph.D., and ROSA KATZ, Ph.D.*. Proceedings of the Zoological Society of London, 106: 579-582. https://doi.org/10.1111/j.1469-7998.1936.tb08519.x
Samuni L., Preis A., Mielke A., Deschner T., Wittig R. M. and Crockford C. 2018. Social bonds facilitate cooperative resource sharing in wild chimpanzees. Proc. R. Soc. B. 285: 20181643 20181643 https://doi.org/10.1098/rspb.2018.1643
Estienne, Vittoria & Stephens, Colleen & Boesch, Christophe. (2017). Extraction of honey from underground bee nests by central African chimpanzees ( Pan troglodytes troglodytes ) in Loango National Park, Gabon: Techniques and individual differences. American Journal of Primatology. 79. 22672. 10.1002/ajp.22672.
Washington University in St. Louis. "Chimpanzees more likely to share tools, teach skills when task is complex: Study has implications for evolution of technology and culture in humans." ScienceDaily. ScienceDaily, 24 December 2019.
Silk, Joan & Brosnan, Sarah & Henrich, Joseph & Lambeth, Susan & Shapiro, Steven. (2013). Chimpanzees share food for many reasons: The role of kinship, reciprocity, social bonds and harassment on food transfers. Animal Behaviour. 85. 941–947. 10.1016/j.anbehav.2013.02.014.
Stephanie Musgrave, Elizabeth Lonsdorf, David Morgan, Madison Prestipino, Laura Bernstein-Kurtycz, Roger Mundry, Crickette Sanz. Teaching varies with task complexity in wild chimpanzees. Proceedings of the National Academy of Sciences, 2019; 201907476 DOI: 10.1073/pnas.1907476116
McGrew, W.C. Animal foods in the diets of wild chimpanzees (Pan troglodytes): Why cross-cultural variation?. J. Ethol. 1, 46–61 (1983). https://doi.org/10.1007/BF02347830
Stanford, CB. Chimpanzees and Red Colobus. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press; 1998.
Gomes CM, Boesch C. Wild chimpanzees exchange meat for sex on a long-term basis. PLoS One. 2011; 4:e5116. [PubMed: 19352509]
Mitani, JC. Reciprocal exchange in chimpanzees and other primates. In: Kappeler, PM.; van Schaik, CP., editors. Cooperation in Primates: Mechanisms and Evolution. Heidelberg: Springer-Verlag; 2006. p. 101-113.
Mitani JC, Watts DP. Demographic influences on the hunting behavior of chimpanzees. American Journal of Physical Anthropology. 1999; 109:439–454. [PubMed: 10423261].
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Boesch, C.; Boesch-Achermann, H. The Chimpanzees of the Taï Forest: Behavioural Ecology and Evolution. Oxford: Oxford University Press; 2000.